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Das zerrissene Land
Der Mordfall Susanna F. und das Ende von Merkels Flüchtlingspolitik
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4 190804 104700
EDITORIAL
LIEBE LESERINNEN UND LESER
„Deutschland ist noch lange nicht fertig mit dem, was im Herbst
2015 passiert ist. Wir haben nicht gekannte Ausschläge auf
der Emotionsskala erlebt. Unser Land ist aus der Balance geraten.“
Der Historiker Andreas Rödder über die Flüchtlingsdebatte (Seite 31)
E
Christian Krug,
Chefredakteur
s ist fast genau drei Jahre her, dass
ihr Schicksal erst die Kanzlerin und
dann das ganze Land rührte. Vor
laufenden Kameras berichtete die
damals 14-jährige Reem aus Paläs-
tina Angela Merkel unter Tränen
über ihre ungewisse Zukunft in Deutsch-
land.Es war der Auftakt zu einem Sommer,
in dem Deutschland die Grenzen öffnete
und einen nie da gewesenen Ansturm der
Flüchtlinge erlebte.Merkels „Wir schaffen
das!“ wirkte auf mich damals wie ein trot-
ziger Schlachtruf.
Es ist ein grausamer Zufall, dass jetzt
wieder das Schicksal einer 14-Jährigen
die Nation bewegt.
Seit bekannt ist, dass
Susanna F. mutmaßlich von einem abge-
lehnten irakischen Asylbewerber ermor-
det wurde, ist die Diskussion um die
Flüchtlingspolitik der Kanzlerin neu ent-
brannt. „Das Verbrechen ist aus schierem
Zufall zur Kulisse geworden, vor der sich
ein seit Monaten geplanter Politikwechsel
vollzieht“, analysieren die Autoren des
stern-Hauptstadtbüros
in unserer Titelge-
schichte (ab Seite 26).Noch allerdings ringt
die Große Koalition um Antworten, der
Streit über Seehofers „Masterplan Migra-
tion“ geht in die nächste Runde.
Köln, Freiburg, Kalden, der blutige
Anschlag auf dem Berliner Weihnachts-
markt – der Mord an dem Mädchen aus
Mainz ist der vorläuige traurige Höhe-
punkt in einer langen Kette von Horror-
meldungen. Nicht nur für die Kanzlerin
ein „schrecklicher Fall“, durch den sich
anscheinend schlimmste Befürchtungen
bestätigen. Die Zeit des Zudeckens ist
vorbei.Merkel übernahm jetzt immerhin
die Verantwortung für das „angeschlage-
ne Vertrauen“ in der Bevölkerung.
„Asylbewerber sind keine Episode“,
schrieb der
stern
im August 2015, „sie wer-
den eine ganze Epoche der deutschen
Geschichte prägen.“
Seither haben wir aus
unterschiedlichen Perspektiven berich-
tet,wie sich das Land durch die Flüchtlin-
ge verändert,
uns kritisch mit der Politik
und überforderten Behörden auseinander-
gesetzt,auch Hass gegen die Neuankömm-
linge und den Aufstieg der Rechtspopulis-
ten dokumentiert – und uns selbst in einem
Projekt in Hamburg engagiert, das nicht nur
positive Erfahrungen brachte. „Wir erleben,
dass die Flüchtlinge aus vielen Nationen
einander noch ebenso fremd sind wie wir
ihnen“,schrieb meine Kollegin Catrin Bart-
enbach im November 2015.
Das gilt für das ganze Land, und daran
hat sich trotz aller Integrationsbemühun-
gen wenig geändert. Vor knapp drei Jahren
prophezeiten wir im
stern,
Merkel werde
„Kanzlerin der Flüchtlinge werden – oder
die Regierungschein, die an ihrer Jahrhun-
dertaufgabe gescheitert ist“. Das gilt heu-
te mehr denn je.
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14.6.2018
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