Spektrum - Gehirn&Geist 2017-04 - Komm in den Flow.pdf

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Psychologie. Hirnforschung. Medizin.
Gehirn&Geist
Mobile
Therapie
Können Apps
die Seele
heilen?
Nr. 04/2017
7,90 · 15,40 sFr. · www.gehirn-und-geist.de
Selbstversunken zu mehr
Glück und Erfolg
Amoktäter
Was sie antreibt
Eltern werden
Teil 1: Schwangerschaftsübelkeit
Verkehrssicherheit
Fahreignung
nach Schlaganfall
D 57 5 25
Komm in
den Flow
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ISTOCK / ANANKKML
E DI TOR IAL
V
Ein perfektes Rezept
EXPERTINNEN UND EXPERTEN
I N D I E S E R AU S G A B E
ielleicht wäre ich mit einem anderen Instrument glücklich
geworden. Meine Eltern meinten es ganz sicher gut. Als ich acht
war und das Standardprogramm der örtlichen Musikschule –
Glockenspiel und Blockflöte – sich dem Ende zuneigte, kauften sie ein
Akkordeon. Ich sollte ein Instrument lernen, bei dem man auch singen
kann, denn das tat ich schon als kleiner Junge gern und ausgiebig. So
klug die Überlegung, so schwierig die sich entfaltende Beziehung: In
mehr als fünf Jahren wöchentlichem Unterricht wurde ich nie warm
mit meinem Schifferklavier. Während ande­
ren das Spiel leicht von der Hand ging, war es
für mich meist nur eine lästige Pflicht.
Musizieren kann äußerste Freude bereiten.
Unzählige Menschen kennen das, viele Stu­
dien belegen es. Selbstversunken Melodien
einzustudieren, während die Zeit um einen
herum quasi stehen bleibt, das ist ein charak­
teristisches Merkmal für Momente, die Psy­
chologen »Flow« nennen. Man ist ganz bei der
Sache, hat alles im Griff, fühlt sich gut und
Carsten Könneker
Chefredakteur
kann selbst Strapazen und knifflige Situa­
koenneker@spektrum.de
tionen locker durchstehen.
Auch ich kenne solche Momente, allerdings
nicht am Akkordeon. Die meisten habe ich dem Sport zu verdanken,
etwa dem Radfahren und Bergwandern. Nach intensiver Anstrengung
stelle ich erstaunt fest, dass Stunden vergangen sind; es lief einfach
prima. Immer wieder erwische ich mich zudem dabei, beim Aus­
dauersport auf neue Ideen zu kommen – die ich dann freilich zurück
im Hier und Jetzt manchmal wieder vergessen habe.
Mehr Flow, mehr Motivation, mehr Leistung. Diesen Zusammen­
hang machen Forscher längst nicht nur an Hobbys wie Musik oder
Sport fest, sondern auch am Lernen für Prüfungen: Wer beim Pauken
in den Flow kommt, erzielt tendenziell bessere Ergebnisse. Erfolg aus
Selbstversunkenheit, das klingt nach einem wunderbaren Rezept.
Doch was genau geschieht in Körper und Gehirn, wenn wir im Flow
sind? Und wie lässt sich dieser Zustand herbeiführen? In unserer
Titelgeschichte ab S. 12 berichten die Psychologinnen Corinna Peifer,
Gina Wolters und Nora Hein von der Ruhr­Universität Bochum, dass
Körper und Geist ein fein austariertes Wechselspiel eingehen, wann
immer wir völlig in unserem Tun aufgehen. Physiologisch gleicht das
Geschehen dem bei Stress, allerdings auf einem deutlich niedrigeren
Erregungsniveau. Flow statt Überlastung? Wie sich dies womöglich
bewerkstelligen lässt, haben die drei Autorinnen in »10 Tipps für mehr
Flow« auf S. 16/17 für Sie zusammengefasst.
Eine lohnende Lektüre, bei der Sie die Welt um sich herum vergessen,
wünscht Ihnen Ihr
Arne Dietrich
von der Universität Beirut
im Libanon ist fasziniert von außergewöhn­
lichen Bewusstseinszuständen. Im Inter­
view ab S. 19 erklärt der Neuropsychologe,
was das Flow­Erleben von Trance und
Tagträumen unterscheidet.
Britta Bannenberg
untersuchte fast alle
Amokläufe von Jugendlichen und jungen
Erwachsenen in Deutschland. Ab S. 24
schildert die Gießener Kriminologie­
professorin die Motive der Täter.
Eidgenössischen Technischen Hochschule
Zürich. Ab S. 52 erläutert er, wie sehr sich
das Gehirn verändern kann – durch
Lernen!
Lutz Jäncke
ist Neuroforscher an der
GEHIRN&GEIST
3
04_2017
IN DIESER AUSGABE
LINKS: DPA / KARL-JOSEF HILDENBRAND;
MITTE: ISTOCK / KJEKOL;
RECHTS: ISTOCK / MICHAL-ROJEK
Psychologie
Hirnforschung
Medizin
Was Amoktäter
antreibt
24
Wenn plötzlich
alles mieft
Von Britta Bannenberg
Eine Gießener Kriminolo-
gin hat drei Jahre lang in
Strafakten gewühlt, die Tagebücher
von Amokläufern gelesen und mit
diesen selbst sowie mit Opfern und
dem Umfeld gesprochen. Ihr Ziel:
die Motive der Täter zu verstehen.
44
Von Anna von Hopffgarten
Während der Schwanger-
schaft nehmen Frauen
Gerüche und Geschmäcke anders
wahr. Dafür verantwortlich sind
Hormone und ihre Folgen für eine
bestimmte Region im Gehirn.
50
Gute Frage
Warum verlernt man
Fahrradfahren nie?
Der Neuropsychologe
Boris Suchan
von der Universität Bochum
erläutert unterschiedliche Gedächt-
nisformen.
52
Selbst ist das Hirn
Mit jeder Erfahrung, jedem Lernen
organisieren sich die neuronalen
Netzwerke neu. Nach und nach ver-
ändert sich das Gehirn dabei sogar
anatomisch. Wissenschaftler erfor-
schen diese »neuronale Plastizität«
an Musikern und Profisportlern.
Verkehrssicherheit:
Ausgebremst
62
Dürfen Menschen nach
einem Schlaganfall wieder
Auto fahren? Verbindliche Tests,
Standards und Probefahrten
könnten Aufschluss über die Fahr-
eignung geben. Doch in der Praxis
mangelt es daran.
Von Nele Langosch
30
Riskante Schlagzeilen
Um schreckliche Verbrechen wie
Amokläufe zu erklären, präsentie-
ren Medien oft vorschnell eine
psychiatrische Diagnose. Das ist
allerdings nicht nur vereinfacht,
sondern auch gefährlich.
Von Harald Dreßing und
Steffen Conrad von Heydendorff
ESTHER GOLLAN, MEDICAL-ART
Die Kultur, in der wir aufwachsen, prägt unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit.
Während psychische Störungen wie etwa Schizophrenie weltweit au reten,
kommen »kulturell gebundene Syndrome« sowie kulturtypische Deutungen überwiegend in
bestimmten Regionen der Welt vor.
Text: Corinna Hartmann / Gra k: Esther Gollan, Medical-Art
70
Infografik
Andere Länder,
andere Leiden
Ein Überblick über psychische
Erkrankungen, die nur in bestimm-
Andere Länder, andere Leiden
ten Kulturkreisen auftreten.
DI E G E H I RN & G E I ST I N FO GR A FI K
Bulimia
nervosa
Pibloktoq
Taijin
Kyofusho
Rootwork
Westeuropa, Nord-
amerika & Australien
Arktis & Grönland
Dhat
Japan
Südstaaten USA & Karibik
Ataque
de nervios
Indien
Khyal cap
Von Gaston Dorren
34
Ein Akt geistiger
Landesverteidigung
Schweizerdeutsch hat einen ganz
eigenen Charakter. Der Grund
dafür liegt in der besonderen
Geschichte des Alpenlandes.
Susto
Puerto Rico
Kufungisisa
Kambodscha
Brain fag
Zentral- & Südamerika
Mal de ojo
Simbabwe
Koro
Nigeria
Südamerika
Malaysia & Indonesien
Von Lutz Jäncke
Rootwork |
Verdauungsbeschwerden, Schwäche, Schwindel
und Angst vor Ermordung, die mit Hexerei oder dem Einfluss
böser Menschen erklärt werden. Wahrscheinlich ein kulturell
vermitteltes Deutungsmuster für verschiedene Symptome
Susto |
Schlafstörungen, Appetitverlust und Traurigkeit als
Reaktion auf ein schreckliches Ereignis, bei dem die Seele den
Körper verlassen habe
Ataque de nervios |
Kontrollverlust nach einer schlimmen
Erfahrung, etwa dem Tod eines Angehörigen. Betroffene
sind aggressiv, weinen, schreien, zittern und empfinden Hitze
im Brustbereich.
Pibloktoq |
Hysterischer Anfall nach einer Phase sozialen
Rückzugs. Betroffene zerreißen ihre Kleidung, zerstören
Gegenstände, schreien, fluchen oder wälzen sich im Schnee.
Danach haben sie keine Erinnerung an den Vorfall.
Brain fag |
Gedächtnis-, Denk- und Konzentrationsstörungen,
Kopf- und Nackenschmerzen sowie Sehstörungen bei Schülern
und Studenten, die unter hohem Leistungsdruck stehen
Bulimia nervosa |
Essanfälle gefolgt von selbst herbeigeführtem
Erbrechen. Die Störung ist hauptsächlich in Industrieländern
verbreitet und offenbar eng mit dem westlichen Schlankheits-
ideal verknüpft.
Dhat |
Schwächegefühl, Erschöpfung sowie panische Angst,
durch den Verlust von Sperma Lebensenergie zu verlieren
Kufungisisa |
Ängste, Depressionen und somatische Beschwer-
den, als deren Ursache der Volksstamm der Shona »zu viel
denken« betrachtet. Es wird generell als schädlich für Körper
und Geist angesehen.
Taijin Kyofusho |
Angst, andere zu beleidigen oder in
heit zu bringen. Häufig fürchten Betroffene, sie könnten
ihre Mitmenschen durch ihr Aussehen oder ihren Körp
belästigen.
Von Miriam Berger
38
Kau dich fit?
Verbessert Kaugummikauen tat-
sächlich die Konzentration und
lindert Stress? Ein Faktencheck.
Von Emily Anthes
70
Der Psychiater
in der Hosentasche
Wer psychisch krank ist, kann auf
seinem Smartphone Hilfe suchen –
das Angebot an Gesundheits-Apps
wächst stetig. Aber taugen die
Programme wirklich etwas, oder
richten sie eher Schaden an?
Mal de ojo |
Durchfall, Erbrechen, Fieber, Schlafstörungen
und Ängste bei Kindern, ausgelöst durch den »bösen Blick«
feindseliger Menschen. Wahrscheinlich ein kulturell vermitteltes
Deutungsmuster für verschiedene Beschwerden
GEHIRN&GEIST
Khyal cap |
Panikartiger Anfall, bei dem Betroffene An
eine windartige Substanz namens »Khyal« könnte im K
aufsteigen und beispielsweise zum Ersticken führen ode
Schädel eindringen.
Koro |
Plötzliche, intensive Furcht von Männern, ihr P
könne sich in den Körper zurückziehen und möglicher
Tod verursachen.
70
0 4 _ 2 0 1 7
QUELLEN
im Internet: www.spektrum.de/artikel/1437619
GEHIRN&GEIST
4
04_2017
Editorial
Geistesblitze
3
u. a. mit diesen Themen: Sprache
und Demenz / Multitasking /
Orientierungsneurone / E-Ziga-
retten / Kollektive Intelligenz
6
Impressum
9
11
22
42
Blickfang
Wegenetz im Fliegenhirn
Leserbriefe
Kopfnuss
Therapie kompakt
Cannabis als Therapeutikum /
Ungesunder Machismo / Thera-
pieerfolg bei Depressionen
60
u. a. mit: Niels Birbaumer, Jörg
Zittlau: Denken wird über-
schätzt / Peter-André Alt: Sig-
mund Freud / Christian Rudder:
Inside Big Data / Werner Bar-
tens: Fühl! Dich! Wohl! / Erik
Scherder: Lass dein Gehirn nicht
sitzen
78
Bücher und mehr
Tipps & Termine
GALLERY STOCK / DANIEL WARD
86
89
Vorschau
Titelthema: Flow
12
Versunken im Augenblick
Von Corinna Peifer, Gina Wolters und Nora Hein
Flow fühlt sich nicht nur gut an – er steigert meist auch die
geistige und körperliche Leistungsfähigkeit. Was läge da näher,
als nach Wegen zu suchen, wie man solche belebenden Momente
fördern kann!
Hirschhausens Hirnschmalz
Das Beste zum Schluss?
90
19
Interview
»Vom Wahrnehmen direkt zum Handeln«
Wie sich Flow-Zustände von Trance oder Tagträumen unterscheiden,
erläutert der Neurowissenschaftler
Arne Dietrich
von der American
University in Beirut.
TITELBILD: ISTOCK / FILADENDRON; FLAGGE: ISTOCK / AMETE
Gehirn&Geist
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GEHIRN&GEIST
5
04_2017
FRANK EIDEL; MIT FRDL. GEN. VON
ECKART VON HIRSCHHAUSEN
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