Spiegel Special 2008-3 - China die unberechenbare Supermacht.pdf

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ALS WELTOFFENER UND TOLERANTER GASTGEBER der Olympischen Spiele wollte sich Chi-
na in Peking präsentieren - das Sportfest werde das Land verändern, versprachen
die Kommunisten, und das IOC wollte daran glauben, als es 2001 der Hauptstadt der
neuen Wirtschafts-Großmacht den Zuschlag erteilte. Stattdessen rücken durch die
Spiele die alten Polizeistaatsmuster - Niederschlagung der Tibeter-Unruhen, Zen-
sur und hohe Haftstrafen für Oppositionelle - ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit.
EINE BILANZ CHINAS VOR OLYMPIA zieht SPIEGEL-
Autor Erich Follath, der das Land seit mehr als
drei Jahrzehnten kennt (Seite 8). Von 1980 bis
1985 lebte er als Korrespondent in Hongkong;
mindestens einmal im Jahr kehrt er in seine
„zweite Heimat" zurück. Für dieses SPIEGEL
SPECIAL, das die Redakteure Karen Andresen
und Norbert F. Pötzl konzipierten, recherchierte
er unter anderem auch auf Hainan. Die Insel war
zu Follaths Korrespondentenzeiten für Ausländer
strikt gesperrt, eine Ausnahme bildete eine über-
raschend anberaumte einmalige Erkundungsreise.
„Es gab kaum befestigte Straßen, überall waren
Militärs; Hotels: Fehlanzeige, die Gäste mussten in Heimen und Baracken schlafen",
erinnert sich der Reporter. Heute ist Hainan das „Mallorca des Ostens", mit Di-
rektflügen aus Europa und einer Vielzahl Fünfsternehotels (Seite 124).
DEN FULMINANTEN WANDEL Pekings, den China-Korres-
pondent Andreas Lorenz beschreibt, erfährt der SPIE-
GEL-Mann selbst täglich hautnah. Gegenüber seiner
Wohnung, wo früher Tausende Menschen in sechs-
stöckigen Wohnsiedlungen lebten, entstand binnen
weniger Jahre ein komplett neues, elegantes Ge-
schäftsviertel, Tag und Nacht war der Lärm der Boh-
rer und Betonmischer zu hören. Lorenz berichtete
schon 1988 bis 1991 aus Chinas Hauptstadt, seit neun
Jahren lebt er wieder dort. Ende der achtziger Jahre,
erinnert sich Lorenz, „blieb man noch im Fahrrad-
getümmel stecken, heute verbringen wir Stunden im
Autostau" (Seite 24).
SEINE RECHERCHEN BEI BILLIGFABRIKEN im Perl-
flussdelta brachten die Gesprächspartner von
Shanghai-Korrespondent Wieland Wagner bis-
weilen in bedrohliche Situationen. Als er strei-
kende Arbeiter der Metallrahmenfabrik Clever
in Shenzhen interviewte, mischten sich ständig
muskulöse Wachmänner unter die Werktätigen,
um sie einzuschüchtern. Allerdings sind chine-
sische Arbeiter immer weniger bereit, über ihre
Lage zu schweigen und sich als billige Arbeits-
sklaven ausbeuten zu lassen. Per Internet und
Handy tauschen sie Informationen über ihre ge-
setzlichen Rechte aus oder organisieren Streiks.
Löhne und Arbeitsbedingungen, meint Wagner,
würden sich zwar nicht stracks ans hohe westliche Niveau angleichen. „Aber die Zei-
ten, in denen China dankbar jede Drecksarbeit übernahm, die westliche Firmen dort-
hin auslagerten, neigen sich eindeutig dem Ende zu" (Seite 68).
SPIEGEL SPECIAL
3 | 2008
5
China vor den Olympischen Spielen
8
Interview mit dem niederländischen Autor Ian Buruma über
die Chancen, Peking in der Tibet-Frage zu beeinflussen
20
Die Volksrepublik in Zahlen
22
Porträt der chinesischen Hauptstadt
24
SPIEGEL-Gespräch mit dem regimekritischen Schriftsteller
Wang Lixiong über die Unterdrückung der Meinungsfreiheit... 32
Das Schicksal ethnischer Minderheiten im Reich der Mitte ... 36
Chinas Verhältnis zu seinen 14 Anrainerstaaten
40
Mao Zedong und die Zeiten des Terrors
Deng Xiaoping - der Reformer
Chinas Öffnung nach Westen im 19. Jahrhundert
Mini-Deutschland in Qingdao
Ein deutscher Nazi als Lebensretter während des
Massakers japanischer Truppen in Nanking
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55
58
62
65
Der Wandel vom Billiglohnland zum Hightech-Standort
68
Chinesische Firmenbosse und ihr westlicher Lebensstil
76
SPIEGEL-Gespräch mit dem Umweltexperten und Professor
in Shanghai Klaus Töpfer über Chinas Ökobilanz
78
Warum sich das IOC für Peking entschied
SPIEGEL-Gespräch mit Sportfunktionär Michael Vesper
über mündige Athleten und das Risiko,
Olympische Spiele an totalitäre Staaten zu vergeben
Die Verschwörungstheorien der KP
Chinas sportliche Tradition
Olympisches Dossier - Was wann wo stattfindet
Das harte Training der Gewichtheberin Cao Lei
Reiterwettbewerbe in Hongkong
Chinesische Sportler und das Doping
Das China-Bild der Degenfechterin Britta Heidemann
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Wie emanzipiert sind Chinesinnen?
Philosoph Konfuzius ist wieder populär
Hainan - das Urlaubsparadies der Volksrepublik
Der weltweite Run auf chinesische Kunst
Gesellschaftliche Umbrüche im Film
Chinatown Hamburg
Erfahrungen einer Deutschen in China
Hausmitteilung
Bücher/Impressum
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Chinas Staatsführung - hier Präsident Hu Jintao beim Empfang für die
olympische Flamme in Peking - möchte der Welt ein friedliches Land auf dem
Weg in die Moderne zeigen. In rasantem Tempo, so rücksichtslos wie nur
Diktaturen es durchsetzen können, hat die KP das Riesenreich verändert.
Das alte China muss glitzernden Neubauten weichen.
Dennoch bleibt die Vergangenheit präsent: Viele wissen
um die Kolonisierung ihres Landes im 19. Jahrhundert
und erinnern sich an Maos Terror.
Die chinesischen Sicherheitskräfte in ihren blau-weißen
Anzügen wurden zum Symbol für Unterdrückung und
Willkür. Im SPIEGEL-Gespräch argumentiert Sportfunk-
tionär Michael Vesper gegen einen Olympia-Boykott.
Frauen kämpfen um bessere Aufstiegschancen.
Künstler wie der Maler Yue Minjun sind die Stars
internationaler Auktionen. Der chinesische Film
erzählt von den Folgen gesellschaftlichen Wandels.
POLITIK
Die Wut des
Drachen
GETTY IMAGES
2008 soll nach dem Willen der chinesischen
Führung zum Jahr des nationalen Triumphs
werden. Mit Olympia will sich das Land als Groß-
macht auf der internationalen Bühne zurück-
melden. Aber Olympia droht nun zum Alptraum
der KP-Bosse zu werden.
Von Erich Follath
8
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