Neue Solidarität - Zur Geschichte des Großen Spiels der Briten im Kaukasus.pdf

(1143 KB) Pobierz
Sonderdruck Dezember 1999
Wer zieht die Fäden bei dem Krieg zwischen Russen und Tschetschenen im Kaukausus,
und wem dient dieser Krieg? Mit dieser Frage befaßte sich bereits der Artikel
„Die Brzezinskis und das ,Große Spiel’ im Transkaukasus“ in
Neue Solidarität
41/1999.
Die Geschichte der geopolitischen Manipulationen im Kaukasus und Zentralasien ist zwei
Jahrhunderte alt. Das „Große Spiel“ im Kaukasus ist zugleich ein Paradebeispiel für die
Geheimstrategie des britischen Empire, an der sich bis heute wenig geändert hat.
David Urquharts „Heiliger Krieg“
Zur Geschichte des „Großen Spiels“ der Briten im Kaukasus
Im Jahre 1785 sammelte der Tschetschenenführer
Naqshbandi Sufi Scheich Mansur die Stämme der
Tschetschenen, Inguschen, Osseten, Kabardiner,
Tscherkessen und Dagestaner zu einer Revolte
gegen das weitere Vordringen des Russischen Rei-
ches in die Berge des Kaukasus. Vor 1774 waren der
Kaukasus und der Transkaukasus, der heute
Armenien, Aserbaidschan und Georgien umfaßt,
vom Persischen und vom Osmanischen Reich an
langer Leine regiert worden. Nach Rußlands Sieg
über das Osmanische Reich im Krieg von 1768-74
machte sich das russische Militär über den Kauka-
sus her. Scheich Mansur hißte die Flagge der „Berg-
völker“ gegen den Zaren. Obwohl Mansurs 20 000-
Mann-Heer 1791 beim russischen Ansturm zer-
schlagen wurde, wurde Scheich Mansur zum Hel-
den der Bergvölker, seine Revolte zur Inspiration
für die heutigen Aufstände im Kaukasus.
Seltsamerweise war Scheich Mansur gar kein
Tschetschene. Sein eigentlicher Name war Giovan-
ni Battista Boetti, und vor seiner Konversion zum
Islam war er Dominikanermönch. Wenn auch
direkte Verbindungen Boettis zu Venedig und Lon-
don nicht bekannt sind, so diente seine Rebellion
doch deren geopolitischen Zielen.
Jahre später tauchte ein weiterer Held der Bergvöl-
ker auf. 1837 schrieb James Bell, ein Agent des bri-
tischen Geheimdienstes, der sich im Kaukasus auf-
hielt, in seinen Memoiren, ein Tscherkessen-Fürst
habe ihm den „heiligen Ort“ gezeigt, „wo Daud
Bey (genau drei Jahre zuvor) eine Versammlung
mit den Stammesführern dieser Gegend abgehal-
ten und sie erstmals mit der Idee beseelt hatte, sich
mit den anderen Bewohnern der Bergprovinzen
unter einer gemeinsamen Regierung und Ausrich-
tung zusammenzutun.“ Daud Bey hatte die Unab-
hängigkeitserklärung der Tscherkessen und ihre
Flagge entworfen.
Auch Daud Bey stammte nicht aus dem Kaukasus.
Er hieß eigentlich David Urquhart und war 1834
vom britischen Geheimdienst in einer Sondermis-
sion dorthin geschickt worden. Urquhart war ein
politischer Zögling Jeremy Benthams, des Begrün-
ders und Chefs des nach der Amerikanischen Revo-
lution neu organisierten britischen Geheimdien-
stes. Als er 1833 in das Osmanische Reich abkom-
mandiert wurde, war Urquhart direkt Sir Herbert
Taylor, dem Privatsekretär König Williams IV.,
sowie Außenminister Lord Palmerston unterstellt.
Anlaß für Urquharts erste Türkeireise war der rus-
sisch-türkische Vertrag von 1833, durch den Ruß-
land praktisch die Kontrolle über die strategisch
wichtigen Dardanellen erlangte. Wie Urquhart
schrieb, war es seine Aufgabe, „sich die notwendi-
gen Informationen zu beschaffen, um interne
Organisationsmaßnahmen vorzuschlagen, falls
die britische Regierung die Türkei unter ihren
Schutz nähme, oder um... im gegenteiligen Fall
dem störenden Einfluß Rußlands entgegenzutre-
ten“.
Urquharts Mentor für die Revolte im Kaukasus war
Fürst Adam Czartoryski, ein gebürtiger Pole, der
während der Napoleonischen Kriege russischer
Außenminister gewesen war und später die fehlge-
schlagene polnische Rebellion gegen Rußland
1830 mit anführte.
Nach diesem Unternehmen floh Fürst Czartoryski
nach Britannien, wo er dem britischen Außenmi-
nisterium mit der Aufgabe zugeteilt wurde, Auf-
stände gegen das russische Reich zu organisieren,
wodurch er zum Schutzherrn der kaukasischen
Stämme und Urquharts wurde.
1
Im 19. Jahrhundert entsandte der
britische Premier Lord Palmerston
(links) seine Agenten aus, um
Rebellionen gegen die Rivalen des
Empire anzuzetteln. Einer davon
war David Urquhart (rechts)
.
Der Kaukasus und Zentralasien 1763
Der Siebenjährige Krieg zwischen dem briti-
schen und französischen Empire endete
1763 mit dem Sieg der Briten. Das war das
Ende Frankreichs als Seemacht. Britannien
konnte seine Präsenz in ganz Asien auswei-
ten. Frankreich mußte sich aus Indien zu-
rückziehen, wo es noch zehn Jahre zuvor die
vorherrschende europäische Macht gewesen
war. Von Bengalen aus begannen die Briten
den gesamten Subkontinent zu überneh-
men. Auch das Ende der französischen Kon-
trolle über das Osmanische Reich rückte
näher, und die Briten standen dort auf dem
Sprung. China war schwach, aber noch
nicht unter britischer Kontrolle.
Die weiten Gebiete zwischen Rußland, Chi-
na und dem späteren Britisch-Indien wurde
von türkischen Nomaden und afghanischen
Stämmen besiedelt, hinzu kamen die drei
Oasen-Khanate Chiva, Buchara und Ko-
kand. Rußland war die einzige große Land-
macht in der Nähe. Weiter westlich schickte
sich Rußland an, die gesamte Kaukasusre-
gion zwischen Schwarzem und Kaspischem
Meer zu übernehmen. Der Kampf um die
Kontrolle über diese Gegend wurde später
als das „Große Spiel“ bezeichnet.
Volle britische Unterstützung
Im Juli und August 1834 bereiste Urquhart als Ge-
schäftsmann getarnt die Ostküste des von Rußland
kontrollierten Schwarzen Meeres. Bei der Festung
Anapa traf er sich mit 15 tscherkessischen Beys und
200 Dorfältesten und bot ihnen Salz, Schießpulver,
Blei und schließlich die volle britische Unterstüt-
zung für die Revolte gegen Rußland an.
Rußlands blutige Unterdrückung der Kaukasus-
Völker, vom Ersten Vizekönig Michail Woronzow
leidenschaftlich betrieben, machte Urquharts Auf-
gabe um so leichter. Wie Prinz Kochubey zu jener
Zeit einem amerikanischen Besucher erklärte, sind
„die Tscherkessen genau so unbezähmbar und
unzivilisiert wie eure Indianer... und dank ihrer
natürlichen Kraft und ihres Charakters nur durch
Ausrottung zur Ruhe zu bringen“.
„Daud Bey“ hielt Wort, und ab sofort flossen Hilfs-
lieferungen und andere Unterstützung in den Kau-
kasus.
1834 veröffentlichte Urquhart die Schrift
England,
Rußland und die Türkei,
mit der er um Unterstüt-
zung für seine anwachsende Rebellion warb. Er
argumentierte, für die Sicherheit der Türkei müß-
ten Britannien und Frankreich das russische
Vorrücken im Kaukasus unterbinden. 1835 grün-
dete Urquhart die Zeitschrift
Portfolio,
die sich mit
der „Ostfrage“ auseinandersetzte. In der ersten
Ausgabe wurden russische Geheimdepeschen ver-
öffentlicht, die angeblich Rußlands Ambitionen
bestätigten. Eine spätere Ausgabe enthielt seine
tscherkessische Unabhängigkeitserklärung.
1836 kehrte Urquhart als britischer Botschaftsse-
kretär in die Türkei zurück. Gegen Ende Oktober
rüstete er privat einen Schoner, die
Vixen,
aus, um
trotz der russischen Handelsrestriktionen mit den
Tscherkessen Handel zu treiben. Anfang 1837
brachten die Russen das Schiff auf. Der britische
2
Der Kaukasus 1763
Rußland dehnte sich im 16. Jahrhundert in den Kaukasus aus, aber die
Unterwerfung der Region war erst Mitte des 19. Jahrhunderts
abgeschlossen. Aufgrund der Schwierigkeiten, die rückständigen Berg-
stämme zu unterwerfen, verlief die Expansion nicht einfach in Nord-
Süd-Richtung. Der Großteil der Region bestand aus sich befehdenden
Emiraten, die entweder zum Osmanischen oder Persischen Reich
gehörten. Nur Georgien hatte eine gewisse Unabhängigkeit. 1763 be-
herrschte Rußland fast die gesamte Nordflanke der kaukasischen Berg-
kette sowie den strategisch wichtigen Daryal Gorge, den Durchgang
nach Georgien und dem gesamten Transkaukasus. Rußland besetzte
1783 fast ganz Georgien und annektierte es 1805-10. In den 80er
Jahren des 18. Jahrhunderts zerschlug Rußland eine Revolte der
Bergvölker im Kaukasus.
Nach dem russisch-osmanischen Krieg 1787-91 übernahm Rußland
die Kontrolle über die Nordostküste des Schwarzen Meers. 1796
beherrschte es fast die gesamte Küste des Kaspischen Meers und
annektierte dieses Gebiet formell im Jahre 1805. Rußland dominierte
die Schwarzmeerküste am Ende der Napoleonischen Kriege, und nach
dem russisch-osmanischen Krieg 1828-29 zwang es die Türken,
sämtliche kaukasischen Gebiete aufzugeben. 1830 nahm Rußland die
gesamte Region in
Besitz.
Der Kaukasus 1830
Nur zwei Enklaven
blieben außerhalb
der russischen
Kontrolle: eine
Enklave der
Tscherkessen an der
Schwarzmeerküste
und eine von
Dagestanern,
Tschetschenen und
Inguschen bewohnte
östliche Bergenklave.
Erst 1864 konnte
Rußland nach 30
Jahren brutalen
Guerillakrieges auch
diese Regionen
unterwerfen.
Der Kaukasus 1864
Botschafter in der Türkei wandte sich an Palmer-
ston mit der Bitte, eine Flotte zu schicken, aber Pal-
merston wollte sich zu jenem Zeitpunkt noch auf
keine Krise einlassen.
1840 mündeten die tscherkessischen Guerilla-Ak-
tionen gegen die russischen Streitkräfte schließlich
in einen allgemeinen Aufstand aller Bergvölker —
Tschetschenen, Inguschen, Dagestaner und Kabar-
diner. Anführer des Aufstands war Scheich Shamil
von Dagestan, der wie der ehemalige Dominika-
nermönch Scheich Mansur aus dem Sufi-Orden
der Naqshbandi kam. Shamil gründete ein Ima-
mat, das die Region mit eiserner Faust regierte.
Während des Krim-Kriegs zwischen Rußland und
Britannien 1853-56 wurde in London überlegt, die
kaukasische Schwarzmeerküste mit Hilfe der
Tscherkessen zu erobern, aber man verwarf diese
Möglichkeit. 1856 bei der Friedenskonferenz in
Paris scheiterte London mit seinem Vorstoß, einen
tscherkessischen Pufferstaat zwischen Rußland
und der Türkei zu schaffen.
Selbst nach dem Krim-Krieg unterstützte London
weiter die kaukasische Rebellion. Tscherkessische
Führer reisten nach Istanbul, um sich mit dem bri-
tischen Botschafter Sir Henry Bulwer zur Planung
weiterer Operationen zu treffen. Aber die russische
Reaktion auf die Rebellion wurde zunehmend bru-
taler. Als die Revolte 1864 schließlich zusammen-
brach, waren über eine Million Tscherkessen getö-
tet oder ins Osmanische Reich vertrieben worden.
„Daud Bey“ hatte die Bergregion schon lange vor-
her verlassen. Nach dem Zwischenfall mit der
Vixen
schied Urquhart offiziell aus den Diensten
der britischen Regierung aus und diente sich dem
Sultan des Osmanischen Reiches als Berater an.
Joseph Brewda und Linda de Hoyos
3
General Thomson und der Kampf
um Berg-Karabach
Wie der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan geschürt wurde
Der Erste Weltkrieg bot Britannien die Gelegen-
heit, erneut im Kaukasus einzugreifen, und zwar
diesmal ganz unverhüllt. Nachdem in Rußland die
Menschewiken 1917 die Regierung übernommen
hatten, erklärten sich Armenien, Aserbaidschan
und Georgien für unabhängig von der russischen
Herrschaft. Auch die Tschetschenen, Dagestaner
und andere Bergstämme erklärten ihre Unabhän-
gigkeit und bildeten eine Republik der Bergvölker.
Aber die Unabhängigkeit war nicht von langer
Dauer. Im November 1918 drang eine 23 000
Mann starke britische Expeditionsarmee unter
General William Thomson von Persien her in die
Kaukasus-Region ein. Sie brachte die Bahnstrecke
Batumi-Baku und andere strategisch wichtige
Punkte unter ihre Kontrolle und setzte in Batumi,
Baku und anderen Gebieten in Georgien, Armeni-
en und Aserbaidschan Militärgouverneure ein. Die
Gebiete blieben bis zur Wiedereroberung durch
Rußland im Jahre 1920 unter direkter militärischer
Besetzung.
1919 wurde in einem Schreiben des britischen
Außenministeriums die Notwendigkeit einer fle-
xiblen Strategie hervorgehoben: „Wenn Rußland
sich rasch erholt, wäre es denkbar, daß sie
(Armenien, Aserbaidschan, Georgien und die Berg-
stämme) ihm in einer Art föderaler Beziehung wie-
der angegliedert werden. Dauert die Anarchie in
Rußland jedoch viele Jahre, wird die derzeitige
Trennung von Rußland wahrscheinlich dauerhaft.
Unsere Strategie gegenüber dem Kaukasus sollte
jede der beiden Möglichkeiten im Auge behalten.“
In Wirklichkeit bedeutete dies, gleichzeitig ver-
schiedene Optionen zu verfolgen, die sich im
Grunde alle gegenseitig ausschlossen (siehe neben-
stehende Karte), entsprechend Lord Palmerstons
Ausspruch, England kenne „keine dauerhaften
Verbündeten, nur dauerhafte Interessen“. So
drang beispielsweise 1919 die weißrussische
Armee des Generals Denikin, massiv unterstützt
von den Briten, in die dagestanische Republik der
Bergvölker ein, die ursprünglich von Lord Curzon
gefördert worden war.
London sorgte dafür, daß der Konflikt zwischen
den von England abhängigen Republiken Armeni-
en und Aserbaidschan ständig weiterschwelte.
Hauptstreitpunkt war der Status der Enklave Kara-
bach. Die Region Karabach war ein altes armeni-
sches Stammgebiet, wurde aber unter den Mongo-
len von den Aseris besiedelt. Nachdem zu Beginn
des 19. Jahrhunderts Rußland sich die Region ein-
verleibt hatte, wurde Karabach wieder von
Armeniern besiedelt und wurde so zu einer
armenischen Enklave im ansonsten von Aseris
bevölkerten zaristischen Distrikt Baku. Die Ober-
hoheit über die Enklave wurde zu einem ständigen
Zankapfel zwischen Aseris und Armeniern, und
General Thomson verschärfte das Problem
bewußt.
Während er Armenien und Georgien militärische
Hilfe zukommen ließ,
nicht
aber Aserbaidschan,
verfügte Thomson, daß Karabach unter aserischer
Verwaltung blieb und ernannte als Generalgouver-
neur für Karabach einen Aseri, der für seine Massa-
ker an Armeniern berüchtigt war. Das war das grü-
ne Licht für die Repression der Karabach-Armenier
durch die Aseris.
Thomson bewaffnete die Armenier, allerdings völ-
lig unzureichend. Im August 1919 akzeptierten die
Karabach-Armenier schließlich die aserische Ober-
hoheit. Im gleichen Monat begannen die Briten
ihren Rückzug aus dem Transkaukasus und öffne-
ten so dem Chaos Tor und Tür. „Ich bin mir völlig
im klaren, daß der Rückzug der britischen Truppen
wahrscheinlich zur Anarchie führt,“ schrieb der
Oberkommandierende der Schwarzmeer-Armee
General Milne, „aber ich kann keinen großen
Schaden für die Welt darin sehen, wenn die
Bewohner dieses Landes sich gegenseitig an die
Kehle gehen.“
Unter Stalins Herrschaft
Die Rückkehr unter russische Oberhoheit in den
Jahren 1920-21 brachte keineswegs den Frieden.
Josef Stalin war der sowjetische Kommissar für
Nationaliätenfragen von der Gründung dieses
Amtes 1917 bis zu dessen Auflösung 1924. Der aus
dem benachbarten Georgien stammende Stalin
war im bolschewistischen Untergrund von Baku
tätig, wo er nach den Worten eines aserischen
Historikers „Zeuge des Ausbruchs von Gewalt zwi-
schen aserischen Türken und Armeniern wie auch
der von zaristischen Agenten und Polizisten ange-
wandten Methoden zur Förderung von Rivalitäten
war, die von der tiefen Abneigung gegen die Rus-
sen ablenken konnten“. Ebendiese Methoden
wandte Stalin nun selbst an.
Unter seiner Führung gründete das Präsidium von
Aserbaidschan eine zentrale Kommission für berg-
karabachische Fragen, welche eine autonome
armenische Enklave in Aserbaidschan — nur einen
4
Steinwurf von Armenien selbst entfernt — verfüg-
te, eine Entscheidung, die für keine der beiden Sei-
ten zufriedenstellend war. So führte Stalin in der
Region die gleichen geopolitischen Machenschaf-
ten weiter, die vor ihm der Zar und der britische
General Thomson angewandt hatten. Aber wie die
Ereignisse der 90er Jahre gezeigt haben: Wenn eine
Region einmal in ein geopolitisches Schachbrett
eingebaut ist, kann jeder „mitspielen“.
Joseph Brewda und Linda de Hoyos
Das britische Spiel
„Groß... gegen Groß...“
Nach dem Ersten Weltkrieg betrieben die Briten im Nahen
Osten, im Kaukasus und Zentralasien mehrere miteinander
unvereinbare Gebietspläne gleichzeitig, mit verschiedenen
Volksgruppen oder umstrittenen Grenzverläufen. Die briti-
schen geopolitischen Manipulationen ebneten den Weg für
Konflikte, die bis auf den heutigen Tag anhalten.
zu treiben und einen ständigen kurdisch-türkischen und kur-
disch-armenischen Konflikt anzuzetteln.
Ein moslemischer Pufferstaat Das Projekt, zwischen Ruß-
land und dem britischen Indien sowie britischen Nahen Osten
einen großen moslemischen Pufferstaat zu schaffen, war
zuerst in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts vom indischen
Vizekönig Lord Lytton und seinem Onkel Sir Henry Bulwer,
Botschafter des Empire im Osmanischen Reich, betrieben
worden. Als ideologische Grundlage für einen solchen Puffer-
staat diente die panislamische Bewegung. Unmittelbar nach
dem Ersten Weltkrieg griff der britische Hochkommissar in
Transkaukasien Col. Claude Stokes die Idee mit stillschweigen-
der Unterstützung von Außenminister Lord Curzon wieder
auf. Dieser Staat, so behauptete er, „würde sich an Großbri-
tannien anlehnen und als Puffer zwischen Rußland und den
britischen Asienbesitzungen dienen“.
Der zusätzliche geopolitische Zweck dieses Plans war es, rus-
sisch-türkische und innertürkische Konflikte zu schüren.
C:
A:
„Großarmenien“ Diesen völlig utopischen Plan legte Eng-
land auf der Versailler Friedenskonferenz vor. In großen Tei-
len des anvisierten Gebietes lebten schon jahrhundertelang
keine Armenier mehr, oder die armenische Bevölkerung war
bei dem Blutbad umgekommen, welches das vom britischen
Geheimdienst gesteuerte Istanbuler „Jungtürken“-Regime
1915 unter den Armeniern angerichtet hatte.
Erstmals ausgeheckt wurde die Idee eines Großarmenien in
den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts vom britischen Pre-
mierminister William Gladstone und Außenminister Lord
Salisbury als Plan zur Auflösung des Osmanischen Reiches.
Während des Ersten Weltkrieges arbeiteten an diesem Projekt
hauptsächlich Sir Mark Sykes, der das Osmanische Reich
zusammen mit Frankreich und Rußland aufteilen wollte,
sowie Lord Noel Buxton aus der einflußreichen Quäker-Fami-
lie, welche die Barclays Bank kontrolliert.
Der geopolitische Zweck eines Großarmenien war, einen Keil
zwischen das türkische Zentralasien und die Türkei zu treiben
und einen ständigen armenisch-türkischen und armenisch-
kurdischen Konflikt anzuzetteln.
D:
Die Republik der Bergvölker Die Idee eines kaukasischen
Bergstaates, der Rußland vom Transkaukasus und dem Nahen
Osten abtrennte, wurde erstmals in den 30er Jahren des 19.
Jahrhunderts aufgebracht von David Urquhart, einem Agen-
ten des britischen Premiers Lord Palmerston. Nach dem
Ersten Weltkrieg wurde sie von Lord Curzon politisch wieder-
belebt. Geopolitischer Zweck war die Anheizung russisch-tür-
kischer Konflikte.
B:
„Großkurdistan“ Auch die Schaffung eines solchen terri-
torialen Gebildes schlug London in Versailles vor. Die Kurden
waren in den meisten dieser Gebiete nie seßhaft. Die Briten
schufen den kurdischen Nationalismus ebenfalls Ende des
19. Jahrhunderts. Während des Ersten Weltkrieges war der
zuständige Mann für das Großkurdistan-Projekt Lord Corn-
wallis (ein Nachfahre jenes Generals, der sich George Wa-
shington bei Yorktown ergeben mußte).
Der geopolitische Zweck eines Großkurdistan war ebenfalls,
einen Keil zwischen das türkische Zentralasien und die Türkei
E:
Das Russische Reich 1919 schlug Britannien zwei sich wi-
dersprechende Pläne für den Erhalt des zusammengebroche-
nen Russischen Reiches vor. Der eine bestand darin, eine
neue, bolschewistische Variante des alten Imperiums zu
schaffen, die auf der Lehre des von David Urquhart prote-
gierten Karl Marx gründete. Der zweite war die Wiedereinset-
zung monarchistischer oder antibolschewistischer „weißer“
Kreise unter Führung von General Denikin. Die Rolle des bri-
tischen Geheimagenten Alexander Helphand Parvus, der
zwischen beide Seiten hin und herwechselte, verdeutlicht die
britischen Operationen auf diesem Schauplatz.
5
Zgłoś jeśli naruszono regulamin