Atlan - Heft 397 - Archiv des Schreckens.pdf

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Nr. 397
Archiv des Schreckens
Zwei Magier in der Stadt der
Vergessenen
von Marianne Sydow
Nun, da Atlantis-Pthor mittels der neuen eripäischen Erfindung aus dem Korsallo-
phur-Stau befreit werden konnte, kommt der »Dimensionsfahrstuhl« auf seiner vor-
programmierten Reise der Schwarzen Galaxis unaufhaltsam näher.
Es gibt nichts, was die Pthorer und Atlan, ihr König, tun könnten, um den fliegen-
den Weltenbrocken abzustoppen und daran zu hindern, die Schwarze Galaxis zu er-
reichen – jenen Ort also, von dem alles Unheil ausging, das Pthor im Lauf der Zeit
über ungezählte Sternenvölker brachte.
Wohl aber existiert die Möglichkeit, noch vor Erreichen des Zieles die gegenwärti-
ge Situation in der Schwarzen Galaxis, die allen Pthorern unbekanntes Terrain ist, zu
erkunden – und Atlan zögert nicht, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Ihm
geht es darum, Informationen über den Gegner zu erhalten, mit dem sich die Pthorer
bald werden messen müssen.
Der Informationssuche dient auch der neue Flug der GOL'DHOR. Mit Copasallior
und Koratzo, den beiden Magiern von Oth, an Bord startet das goldene Raumschiff
zu einem Sternenpulk, der der Schwarzen Galaxis vorgelagert ist.
Am Ziel des Fluges liegt das ARCHIV DES SCHRECKENS …
Archiv des Schreckens
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan
- Der König von Pthor benötigt Informationen über die Schwarze Galaxis.
Koratzo und Copasallior
- Zwei Magier auf dem Weg zum Archiv des Schreckens.
Sisal
- Ein Carthiller.
Gophan
- Ein »Leerer«.
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1.
Die GOL'DHOR war startbereit, und die
beiden Magier schienen ungeduldig zu sein,
als fieberten sie bereits dem Abenteuer eines
Raumflugs entgegen.
Atlan vermutete, daß Copasallior und Ko-
ratzo längst wußten, wohin er sie schicken
wollte. Dennoch erklärte er den beiden alles
sehr ausführlich, denn diese Mission war zu
wichtig, als daß sie wegen einer Nachlässig-
keit scheitern durfte.
»Sator Synk brachte uns die Koordinaten
für das
Archiv des Schreckens
mit«, sagte
Atlan. »Dieses Archiv soll zu einer Reihe
von Bastionen gehören, die der Schwarzen
Galaxis vorgelagert sind, und in ihm werden
die Daten zu allen Einsätzen aufbewahrt, die
Pthor bereits hinter sich hat oder noch
durchführen soll.«
In Koratzos Augen blitzte es auf. Copa-
sallior dagegen blickte scheinbar gelang-
weilt auf den Tisch, an dem die drei Männer
saßen.
»Wir sollen also die Daten aus dem Ar-
chiv stehlen«, stellte er gelassen fest.
Atlan lächelte flüchtig.
»Wir wissen nicht, wie groß das Archiv
des Schreckens ist«, murmelte er. »Aber
vermutlich hat es Abmessungen, die einen
kompletten Diebstahl von vornherein un-
möglich machen. Aber schon ein geringer
Teil dessen, was dort lagert, würde uns wei-
terhelfen, dessen bin ich sicher.«
Er dachte an das, was Sator Synk berich-
tet hatte, und fuhr fort:
»Wahrscheinlich werdet ihr auf Wider-
stand stoßen. Ich weiß, daß ihr die
GOL'DHOR nicht leichtsinnig in Gefahr
bringen werdet. Sie ist das einzige wirklich
raumtüchtige Fahrzeug, das uns zur Verfü-
gung steht. Gebt auf das Schiff acht. Und
kommt zurück.«
»Wir werden zurückkehren«, versprach
Koratzo beruhigend. »Die GOL'DHOR wird
uns schützen, und seit wir aus dem Korsallo-
phur-Stau heraus sind, gibt es nichts mehr
dort draußen jenseits des Wölbmantels, was
unsere Fähigkeiten beeinträchtigt. Welche
Daten aus diesem Archiv interessieren dich
am meisten?«
»Ihr werdet kaum Gelegenheit bekom-
men, eine gezielte Auswahl zu treffen«,
seufzte Atlan. »Aber falls es sich ergeben
sollte, dann bringt alles mit, was dort über
die Erde zu finden ist.
Noch wichtiger«, setzte Atlan hinzu,
»sind natürlich Informationen über die
Schwarze Galaxis.«
Koratzo nickte nur. Copasallior blickte
zur GOL'DHOR hinüber. »Wir brauchen
Raumanzüge aus der FESTUNG«, sagte er
plötzlich. Atlan sah ihn verwundert an. Auf
der Fahrt in den Korsallophur-Stau hatten
die Magier ihre eigenen Schutzanzüge be-
nutzt. Der Arkonide war nach einigen Beob-
achtungen zu dem Schluß gekommen, daß
diese merkwürdigen Umhänge jeden Ver-
gleich selbst mit den modernsten Monturen
aushielten.
»Wir begeben uns in die Nähe der
Schwarzen Galaxis«, erläuterte Copasallior
seinen Wunsch. »Und wenn wir Kontakt zu
Wesen bekommen, die von uns Magiern
schon einmal etwas gehört haben, dann soll-
ten wir besser in herkömmlichen Schutzan-
zügen stecken. Sonst wissen diese Fremden
nämlich sofort, was unser Besuch zu bedeu-
ten hat.«
Atlan nickte nachdenklich. Das war ein
Argument, das man gelten lassen konnte.
»Braucht ihr sonst noch etwas?« fragte er.
»Waffen zum Beispiel?«
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Koratzo verzog das Gesicht, und Copasal-
lior richtete sich steil auf und nahm seine
sechs Hände von der Tischplatte.
»Nicht alles läßt sich mit magischen Mit-
teln beseitigen«, gab Atlan hastig zu beden-
ken.
Copasallior tat, als hätte er nichts gehört.
Koratzo dagegen nickte schließlich zögernd.
»Ein Schwert und eine Waggu«, sagte er,
und er warf Atlan dabei einen vielsagenden
Blick zu. Der Arkonide brauchte keine wei-
teren Erklärungen. Er würde dafür sorgen,
daß auch für Copasallior Waffen an Bord
geschafft wurden.
»Das wäre wohl alles«, murmelte Copa-
sallior, stand auf und ging zur GOL'DHOR
hinüber. Atlan sah ihm nach. Der Weltenma-
gier blieb vor dem goldenen Raumschiff ste-
hen, eine hagere Gestalt mit kahlem Kopf, in
ein düsteres, sich im leichten Wind blähen-
des Gewand gehüllt. Jetzt hob er seine sechs
Arme – dann war er spurlos verschwunden.
Copasallior hatte sich mit Hilfe seiner
Transmitterfähigkeiten an einen anderen Ort
versetzt.
Aber es war ein kurzer Sprung, den er ge-
tan hatte, denn Atlan sah ihn schon im näch-
sten
Augenblick
im
Kopfteil
der
GOL'DHOR umhergehen. Er wandte sich
wieder Koratzo zu.
Der Stimmenmagier sah aus wie ein Ter-
raner, etwa fünfundzwanzig Jahre alt,
schlank, hochgewachsen, mit blondem Haar
und blauen Augen. Wer ihn neben Copasal-
lior sah, dessen Basaltaugen fremdartig ge-
nug wirkten, wäre von sich aus niemals auf
die Idee gekommen, beide Männer zu einem
Volk zu zählen. Auch Atlan war sich nicht
darüber klar, wieweit die Magier eine ethno-
logische Einheit bildeten. Anscheinend zähl-
te das Aussehen eines Individuums bei ihnen
wenig. Worauf es ankam, waren die magi-
schen Fähigkeiten.
»Ich kann dir nicht versprechen, daß wir
Erfolg haben werden«, sagte Koratzo, und
das war für einen Magier eine geradezu fre-
velhafte Aussage. »Aber wir werden unser
Bestes tun. Der Ort, an dem das Archiv des
Marianne Sydow
Schreckens sich befindet, liegt nicht zu weit
entfernt. Wenn es zum Äußersten kommen
sollte, werde ich Copasallior zwingen, auf
seine Weise allein zu dir zurückzukehren.«
»Ich hoffe, daß dieser Fall nicht eintreten
wird«, sagte Atlan.
Koratzo nickte ernst. Er dachte an Glyn-
diszorn, der unermüdlich seine magischen
Knoten flocht und versuchte, die Zukunft
des Landes zu erforschen. Der Knotenma-
gier arbeitete so besessen, daß er von der
Statur einer wandelnden Kugel auf die einer
watschelnden Tonne geschrumpft war – aber
er hatte keinen Erfolg. Die Linien der Zeit
blieben dunkel.
Atlan rief einen Techno herbei und befahl
ihm, die Raumanzüge und die Waffen zu
bringen. Gemeinsam mit Koratzo überprüfte
er alles. Dann nahm Koratzo den Packen an
sich, reichte dem Arkoniden schweigend die
Hand, drehte sich um und ging davon.
Eine Minute später startete die
GOL'DHOR.
*
»Sie hat sich weiter erholt«, sagte Copa-
sallior, noch ehe sie den Wölbmantel er-
reichten.
Er meinte die GOL'DHOR. Als sie das
goldene Raumschiff in der Palamandiro-
Schlucht zum erstenmal betraten, hatte es
einen eigenen Willen besessen – es war
kaum als Maschine zu bezeichnen gewesen,
eher schon als ein lebendes, intelligentes
Wesen. Nach der Begegnung mit dem nega-
tiven Magier Allersheim, der die
GOL'DHOR in grauer Vorzeit geschaffen
hatte, und dem Tod dieses verbannten Ma-
giers hatte die GOL'DHOR ihre Identität
verloren. Beide Magier waren damals über-
zeugt gewesen, daß die GOL'DHOR nie
wieder so etwas wie ein eigenes Bewußtsein
entwickeln würde. Aber es schien, als hätten
sie sich geirrt. Der jetzige Zustand der
GOL'DHOR war von der früheren Vollkom-
menheit noch weit entfernt, aber sie sprach
unverkennbar positiv auf die Anwesenheit
Archiv des Schreckens
der beiden Magier an.
»Das ist gut für uns«, murmelte Koratzo.
Er berührte behutsam die Schalter und
Knöpfe auf dem Pult, vor dem er saß. Die
Geschwindigkeit des goldenen Raumschiffs
stieg. Es durchstieß den Wölbmantel.
Die Magier saßen im Bug des Schiffes.
Die GOL'DHOR sah aus wie eine riesige
Gottesanbeterin. Die Kommandozentrale be-
fand sich im Kopfteil. Das ganze Gebilde
war mehr oder weniger durchsichtig. Es be-
stand aus einem glasähnlichen Material von
goldener Tönung. Die beiden »Augen« der
Gottesanbeterin
waren
Fenster
und
Sichtschirme in einem. Durch sie sah man
die Umgebung so, wie sie sich dem unbe-
waffneten Auge darstellte. Man konnte aber
auch weit entfernte Dinge vergrößern oder
die Wiedergabe modifizieren lassen.
Jenseits des Wölbmantels bot sich den
beiden Magiern das Bild des Weltraums,
wie jeder Raumfahrer es kennt – eine samte-
ne Schwärze mit fernen Lichtern darin. In
diesem Fall waren es keine scharfen, farbi-
gen Punkte, denn in der Nähe Pthors gab es
keine Sonnen. Noch bewegte sich die
GOL'DHOR auf demselben Kurs wie das
Land, das sie gerade verlassen hatte. Wider
besseres Wissen versuchte Koratzo das, was
am Ende dieser Höllenfahrt lag, auf der in-
neren Augenfläche der »Gottesanbeterin«
sichtbar zu machen. Aber dort schien es
nichts als eine formlose Dunkelheit zu ge-
ben.
»Vielleicht sehen wir etwas, wenn wir nä-
her herangekommen sind«, meinte Copasal-
lior.
»Das glaube ich nicht. Die Schwarze Ga-
laxis hat sich gut abgesichert.«
Obwohl die Magier anscheinend niemals
eine Raumfahrt im üblichen Sinn betrieben
hatten, fanden sie sich hier draußen erstaun-
lich gut zurecht. Sie wußten sehr viel über
das Universum. Nur wenn es um Entfernun-
gen und zeitliche Zusammenhänge ging, ha-
perte es bei ihnen bisweilen. Zum Glück war
die GOL'DHOR fähig, beide Werte zu be-
rücksichtigen.
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Die GOL'DHOR löste sich aus der Nähe
Pthors und raste durch den Dimensionskorri-
dor, bis der Augenblick gekommen war, an
dem sie den Kurs ein wenig ändern mußte,
um das Archiv des Schreckens zu erreichen.
Copasallior atmete hörbar auf, als die
formlose Dunkelheit zur Seite wanderte und
dafür ein paar Lichtpunkte auftauchten.
»Ein scheußlicher Gedanke, daß Pthor
dorthin unterwegs ist«, sagte er leise.
»Spürst du es auch?«
»Du meinst diesen Druck, der von dem
Gebilde dort ausgeht? Ja – er wirkt lähmend
und drohend.«
»Wenn wir noch näherkommen, wird es
schlimmer werden«, murmelte Copasallior
besorgt. »Koratzo – wir müssen damit rech-
nen, daß es uns handlungsunfähig macht,
wenn wir die Schwarze Galaxis erreichen.«
Koratzo schwieg bedrückt. Auch er er-
kannte die Gefahr. Und sie konnten nichts
tun. Es bestand kaum noch Hoffnung, daß es
gelingen würde, Pthor im letzten Moment
abzubremsen oder auf einen anderen Kurs
zu bringen. Wie von einer unsichtbaren
Schnur gezogen, kehrte Pthor an seinen
Ausgangspunkt zurück. Und was man dort
zu den gerade eingetretenen – positiven –
Veränderungen sagen würde, darüber
brauchte man nicht lange zu spekulieren.
Die Herren der Schwarzen Galaxis würden
ganz Pthor bestrafen, auf eine Weise, die sie
sich nicht vorzustellen wagten.
»Dort irgendwo muß unser Ziel liegen«,
sagte Koratzo in dem verzweifelten, Bemü-
hen, seinen Gedanken eine andere Richtung
zu verleihen.
»Das Archiv des Schreckens!« sagte Co-
pasallior nachdenklich. »Der Name wirkt
abschreckend genug.«
Die GOL'DHOR schoß auf die Licht-
punkte zu, und als sie näherkamen, erkann-
ten sie, daß dort vorne eine Gruppe von Son-
nen ihre Bahn durch die Unendlichkeit zog.
Es waren rund zwei Dutzend Sterne.
»Die Künste der Robotbürger unterliegen
gewissen Beschränkungen«, stellte Koratzo
mit leisem Spott fest. »Das Ziel, das sie uns
Zgłoś jeśli naruszono regulamin