Schiff Classic 2015-01.pdf

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SCHIFF
Classic
1/2015
Januar
|
Februar
|
März
€ 8,90
A: € 9,80; CH: sFr 17,80; BeNeLux: € 10,30; SK, I: € 11,55; FIN: € 12,25; S: SKR: 110,00; DK: DKK 95,00
SCHIFF
Classic
Schiff & Zeit
83
Magazin für Schifffahrts- und Marinegeschichte
Deutsche Torpedoboote 1914–1918
Die GUSTLOFF
1945: Chronik des Untergangs
Dampfer
SACHSENWALD:
Rettung einer Perle
01
4 198450 008908
Marine-Pilot: „Ich flog
die
‚Albatross‘“!
HMS THETIS:
Das U-Boot,
das zweimal sank
e Schiffe,
Klein
Modelle
roßartige
g
KIOSK!
JEDEN MONAT
NEU AM
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
Online blättern oder Abo mit Prämie bestellen unter:
www.schiffsmodell-magazin.de/abo
© yarchyk - Fotolia.com
EDITORIAL
Sargnagel oder Segen für Museen?
ie
erinnern sich? Vor rund zwei
oder drei Jahren gab es eine Rie-
senaufregung. Durch unsere
Straßen fuhren Autos mit monströsen
Kameraköpfen auf den Dächern. Ein
amerikanisches Superunternehmen
scannte unsere Vorgärten, Haustüren
und falsch geparkten Autos. Inzwi-
schen ist der „Sturm im Wasserglas“
vorbei und ein gewisser Nutzen für
die digitale Recherche, als Ergebnis
des Superaufwandes, von uns Inter-
networkern entdeckt.
Da erzeugte eine Meldung Auf-
merksamkeit: „Das Deutsche Muse-
um und das junge Münchner High-
tech-Unternehmen NavVis präsentie-
ren anlässlich der Münchner „Langen
Nacht der Museen“ ein einmaliges di-
gitales Projekt: Die beeindruckende
und weitläufige Abteilung „Schiff-
fahrt“ ist erstmals vollständig digitali-
siert und in 3D erfasst. Besucher aus
aller Welt können die Ausstellung ab
sofort online erkunden. Bilder, Texte
und Audioinformationen machen die
S
fotorealistische 3D-Welt zu einem
interaktiven Erlebnis.“ Also rauf auf
die Homepage und stöbern. Da
waren zwei Dinge die mich neugierig
machten – zum einen die Sache selbst
und zum anderen natürlich das
Thema Schifffahrt. Bei meinen spora-
dischen Besuchen im Deutschen Mu-
seum war ich bei der weitläufigen
Schifffahrtsabteilung nie ganz durch-
gekommen. Nach einer guten Stunde
Klicken auf der Seite des Deutschen
Museums endete mein virtueller
Rundgang vor dem aufgeschnittenen
U-Boot U1. Ich konnte nicht hineinse-
hen, weil sich die Darstellung auf
meinem Bildschirm nicht in diese
Richtung drehen ließ. Also wollte ich
nun wissen, wie denn diese wirklich
interessanten 3D-Animationen entste-
hen. Da wurden meine Erinnerungen
an die Superaktion von oben wach.
Ein wohl selbstfahrendes Gerät, mit
Kamera- und Laserköpfen bestückt,
fährt durch das menschenleere Mu-
seum und scannt alles, was ihm vor
PUNKTWOLKE:
Sie
entsteht durch die
Laservermessung bei
der Kartierung einer
Ausstellung. Hier in
der Abteilung Schiff-
fahrt des Deutschen
Museums, München.
Foto: NavVis, München
die Linsen kommt.
Wenn das noch mit
Inhalten verfüllt ist,
die man sich bei aus-
gesuchten Expona-
ten erläuternd anhö-
ren kann, ist das eine
tolle Sache für den
virtuellen
Muse-
umsbesuch von zu
Hause aus.
Also auf jeden
Jörg-M. Hormann,
Fall empfehlenswert.
Verantw. Redakteur
Aber was machen
die Museen, wenn sich diese Superi-
dee durchsetzt? Wenn alle Museen
durchgescannt sind? Und das kann
schnell gehen, wie wir an den Filmse-
quenzen unsere Straßenzüge und
Häuser im Internet sehen. Wo sind
dann die leicht schmerzenden Füßen
nach stundenlangem Gehen und Ste-
hen durch die Ausstellungen, das Stö-
bern im Museumsshop und der Ge-
nuss einer Tasse Kaffee im Museums-
restaurant? Wird das Museum der
Zukunft im Studio zusammengebas-
telt und via Internet ins Haus geliefert?
Auch nach diesem Ausblick wün-
sche ich Ihnen jetzt viel Erlebnisfreude
beim Lesen und Betrachten Ihrer neu-
en SCHIFF CLASSIC.
Ihr Jörg-M. Hormann
SCHIFF CLASSIC
Infanteriestraße 11a, 80797 München
redaktion@schiff-classic.de
Wir stellen vor
Manuel Miserok
(1973)
Dipl.-Sportwissenschaftler, segelt seit mehr als
20 Jahren auf Traditionsschiffen und ist haupt-
beruflich als Produktmanager im Bereich der Rei-
sekonzeption und Medienarbeit für ein zivil ge-
nutztes Segelschulschiff tätig. Er engagiert sich als ehrenamtli-
cher Mitarbeiter für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung
Schiffbrüchiger und besitzt eines der umfangreichsten Privat-
Archive zur Dokumentation des Seenotrettungswesens in
Deutschland, über das er in SCHIFF CLASSIC berichtet.
Detlef Ollesch
(1958)
Als gelernter Industriekaufmann und Betriebs-
wirt war er langjährig im Beschaffungswesen ei-
nes holzverarbeitenden Betriebs tätig, bevor der
Portepee-Unteroffizier d. R. der Deutschen Mari-
ne seine nebenberufliche journalistische Arbeit durch eine Aus-
bildung beim Deutschen Waffen-Journal zum Beruf machte. Seit
2009 arbeitet er – unterbrochen von Törns auf Traditionsseglern
– freiberuflich als Journalist und Buchautor. Für SCHIFF CLASSIC
ist das Seegefecht vor Helgoland am 9. Mai 1864 sein Thema.
SCHIFFClassic
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3
INHALT
WERFTHAFEN:
Die WILHELM GUSTLOFF an der
Ausrüstungspier von Blohm & Voss in Hamburg.
Kurz vor der Indienststellung am 15. März 1938
wird der Name an den Bug gemalt.
Foto: picture-alliance
Titelthema
Fahrt in die Sonne und in den Untergang
..................................
12
Mit „Kraft durch Freude“ in den Urlaub
Nächtlicher Tod in der eisigen Ostsee
...............................................
22
Vor 70 Jahren: das Ende der GUSTLOFF
Das besondere Bild
...............................................................................................................................
6
Schnellbootalltag mit S 75 ZOBEL
Das U-Boot, das zweimal unterging
............................................
44
Die spektakuläre Geschichte der HMS THETIS
Panorama Maritim
...................................................................................................................................
8
Nachrichten zur Schifffahrts- und Marinegeschichte
Winkspruch
Gemeinsame Interessen vertreten
................................................
48
Gründung der Regionalgruppe Mecklenburg-Vorpommern
Schiff & Zeit
Seegefecht ohne eindeutigen Sieger
......................................
28
Preußen und Österreicher gegen die Dänen
12 000 Euro für hervorragende Forschung
...............
49
Stiftungspreise für Schifffahrts- und Marinegeschichte
168 Mann und ein Kapitän zur See
.............................................
36
Aus der Entstehungszeit der Bundesmarine
Maritime Technik
Nur für Flugzeugführer mit Kapitänspatent
..............
50
Amphibienflugzeug „Albatross“ der Bundesmarine
Titelfotos: picture-alliance (2); Sammlung E.-A. Schneider; Sammlung Jörg-M. Hormann; Sammlung Frank Müller
Seenotkreuzer als technisches Denkmal
......................
42
Privates Seenotrettungsmuseum
4
SCHIFF & ZEIT
|
Schiffsgefecht vor 150 Jahren
SCHIFF & ZEIT
|
Entstehung der
Bundesmarine
NACH DEM GEFECHT:
Erinne-
rungsfoto
des
österreichischen
Helden für zu Hause. Das
deutsch-alliierte
Geschwader
an-
kert nach
dem
Seegefecht bei
Helgoland vor Cuxhaven. Ein sol-
ches Wahrendorf-Geschütz Mo-
dell
1861
der
SCHWARZEN-
BERG eröffnete
das
Gefecht. Die
an
Deck liegenden Rundkugeln
gehören nicht
dazu.
Sie sind nur
Dekoration.
Foto: Stadtarchiv Cuxhaven/Signatur 01402
1955: Schwieriger Anfang
NEUE REIHE
168 Mann und
ein Kapitän zur See
Vor gut 60 Jahren spricht Kapitän zur See Karl-Adolf Zenker, höchster Dienstgrad
der neuen Marine, vor seinen Männern. Er versucht einen Brückenschlag zwischen
Kriegs- und Bundesmarine – und löst damit einen Sturm der Entrüstung aus.
Von Eberhard Kliem
ZWEIMAL NEUANFANG:
Vor 70 Jahren
entstehen die Bundes- und die Volksmarine.
Wie erlebten die Mariner in West und Ost ihren
Dienst? In SCHIFF CLASSIC berichten die Geg-
ner des „Kalten Krieges“, wie es wirklich war.
ERSTAUSSTATTUNG:
So begann
das mit
der
Bundesmarine. Das Hochseeminensuch-
boot
der
Seelöwe-Klasse kam
aus dem
ehe-
maligen
Bestand
der
Kriegsmarine. Hier
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
M 187 SEEHUND.
Preußen und Österreicher gegen die Dänen
Seegefecht ohne
eindeutigen Sieger
E
28
s ist genau 13:57 Uhr, als bei Helgoland
das Donnern eines Kanonenschusses
über die Nordsee rollt. Abgefeuert wur-
de er aus einem 15-cm-Wahrendorf-Geschütz
der österreichischen Fregatte SCHWARZEN-
BERG, und damit ist es an diesem 9. Mai 1864
eröffnet: das zweite Seegefecht des Deutsch-
Dänischen Krieges. Noch 150 Jahre später
wird man darüber streiten, wer als Sieger,
wer als Verlierer daraus hervorgeht. Demge-
genüber scheint die Lage an Land zu diesem
Zeitpunkt eindeutig: Dort haben die däni-
schen Streitkräfte den Truppen der verbün-
deten Großmächte Preußen und Österreich
nur wenig entgegenzusetzen. Schleswig ist
von diesen bereits nahezu vollständig einge-
nommen worden, ebenso der Süden Jütlands,
und die dänische Armee ist zu einer größeren
Offensive nicht in der Lage. Anders sieht es
auf See aus.
Als Staat mit über 7000 Kilometer Küsten-
länge und der Kontrolle über die Ostseezu-
gänge sowie als Kolonialmacht verfügt Dä-
nemark naturgemäß über eine Flotte, die der
preußischen deutlich überlegen ist. Mit die-
ser betreiben die Dänen Handelskrieg und
blockieren die deutschen Nord- und Ostsee-
häfen. Zwar nicht lückenlos – dazu ist auch
die dänische Marine zu klein –, aber der
norddeutsche Seehandel wird doch empfind-
lich gestört. Da die in der Ostsee stationierten
preußischen Einheiten einen Durchbruch in
die Nordsee nicht wagen können, operiert
Im Mai 1864 unterzeichnen die Konfliktparteien des Deutsch-Dänischen Krieges einen
Waffenstillstandsvertrag, der drei Tage später in Kraft treten soll. Doch davor sprechen
bei Helgoland noch die Kanonen.
Von Detlef Ollesch
HINTERGRUND
Deutsch-Dänischer Krieg
Seit 1460 wurden die Herzogtümer Schleswig
und Holstein in Personalunion vom Königreich
Dänemark regiert. Im 19. Jahrhundert hatten
der aufkommende Nationalstaatsgedanke so-
wie auf unterschiedlichen Erbfolgen beruhende
dynastische Ansprüche dazu geführt, dass es
1848 zum Krieg gegen Dänemark kam. An
dessen Ende stand das Londoner Protokoll
vom 8. Mai 1852. Es garantierte das Fortbe-
stehen der dänischen Herrschaft über die Her-
zogtümer und schrieb andererseits deren Ei-
genständigkeit fest. Dazu gehörte auch das
Verbot, das Herzogtum Schleswig enger an das
Königreich zu binden. Genau das aber war
durch die gemeinsame Verfassung für das Kö-
nigreich Dänemark und das Herzogtum Schles-
wig vom 18. November 1863 geschehen.
Dieses führte im Dezember zur
Bundes-
exekution gegen Holstein und Lauenburg, al-
so zur
Besetzung
der beiden Herzogtümer,
die sowohl Teile des dänischen Gesamtstaa-
tes als auch Glieder des Deutschen
Bundes
waren. Am 1. Februar 1864 folgte somit der
Krieg Preußens und Österreichs gegen das
Königreich Dänemark. Er endete am 30. Ok-
tober 1864
mit
dem Frieden von Wien, in wel-
chem Dänemark die drei Herzogtümer an die
Siegermächte abtrat.
die dänische Fregatte NIELS JUEL hier unge-
stört. Lediglich das preußische Mittelmeer-
geschwader unter Korvettenkapitän Gustav
Klatt befindet sich auf dem Marsch dorthin.
Dessen Kampfkraft ist jedoch minimal. Der
alte Raddampfer PREUSSISCHER ADLER ist
ziemlich verbraucht und die Kanonenboote
I. Klasse BASILISK (Leutnant zur See I. Klas-
se Aneker Schau) und BLITZ (LzS I. Kl. Ar-
chibald Mac Lean) sind extra nicht mit
schweren Geschützen bestückt worden, um
S. 28
29
36
D
IM FETTNAPF:
Bei seiner ersten
Ansprache vor seinen Männern
findet Kapitän zur See Zenker
Worte,
die die
Parlamentarier
in Bonn
auf die
Palme bringen.
Foto: Sammlung Eberhard Kliem
er 16. Januar 1956 in Wilhelmshaven
war ein grauer, nasskalter Tag – nord-
deutsches Schmuddelwetter. So richtig
hell werden wollte es nicht. Für die Kaserne
Ebkeriege und die dort stationierte 1. Schiffs-
stammabteilung der Marine sollte es jedoch ein
wichtiger Tag werden. Die Einheit war gerade
erst mit dem „Aufstellungsbefehl Nr. 1“, da-
tiert vom 6. Oktober 1955, durch den Bundes-
minister für Verteidigung mit einer Stärke von
vier Offizieren, 24 Unteroffizieren und 140
Mannschaften organisatorisch als „Marine-
Lehr- Kp.“ ins Leben gerufen worden.
Am 2. Januar 1956 trafen nun die ersten
Freiwilligen der Marine ein; per Bus und Lkw
wurden sie in die ebenfalls neu übernomme-
ne Ebkeriege Kaserne – ein wenig vor der
Stadt gelegen – transportiert. Die Mann-
schaftsdienstgrade waren eine bunt zusam-
mengewürfelte Truppe: Offiziersanwärter
der Crew 1/56; Mannschaftsdienstgrade aus
dem Mineräumverband „Labour Service
Unit (LSU ), die im Auftrag der Amerikaner
von Bremerhaven aus vielfältige Dienste ge-
leistet hatten; Angehörige des Bundesgrenz-
schutzes (See), die nun in die neue deutsche
Marine übertraten; Freiwillige, die ihre Be-
rufschancen in der Marine sahen.
Die Lebensumstände waren spartanisch:
„An der Tür der kahlen Stube 105 standen
fünf Namen … Drinnen fünf Feldbetten,
zwei davon übereinander, daneben fünf
schmalbrüstige Spinde. In der Mitte des
leichtgrün gestrichenen Raumes ein großer
Tisch. Noch heute sehe ich die tiefgrüne, mit
einem schwarzen Plastikband umfasste
Hartplastikplatte vor mir. Stahlbeine wie die
Stühle. Darüber baumelte als einzige Be-
leuchtung eine milchige Glaskugel …“, erin-
S. 36
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SCHIFFClassic
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SCHIFFClassic
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SCHIFF & ZEIT
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Verzweifelter Rettungsversuch
MARITIME TECHNIK
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Grumman HU-16 Albatross
Die spektakuläre Geschichte der HMS THETIS
Das U-Boot, das
zweimal unterging
Im Juni 1939 versinkt das modernste britische U-Boot THETIS mit fast 100 Mann an
Bord. Eine dramatische Rettungsaktion läuft an, und auch das Boot selbst erhält noch
eine zweite Chance – bis es 1943 erneut in Gefahr gerät.
Von Frank Müller
Amphibienflugzeug „Albatross“ der
Bundesmarine
Nur für Flugzeugführer
mit Kapitänspatent
Ein Seemann mit Pilotenschein, ein Flieger mit Kapitänspatent? Wer hinter dem
Steuerknüppel der Albatross saß, musste beides sein. Ernst-A. Schneider war
einer der wenigen Marineflieger im Cockpit des legendären Flugbootes.
Von Ulf Kaack
Z
S
izilien im Frühjahr 1943. Vor der nord-
westlichen Spitze der Insel, dem Cap
San Vito, läuft ein italienischer Geleit-
zug vorbei. Ein lohnendes Ziel für alliierte
U-Boote – und tatsächlich liegt der Feind an
diesem 12. März schon auf der Lauer: Es ist
das britische U-Boot HMS THUNDERBOLT.
Der Kommandant greift an, nimmt einen
Frachter ins Visier. Die Torpedos treffen. Kurz
darauf sinkt das Schiff.
Doch nun wird die THUNDERBOLT vom
Jäger zum Gejagten. Die begleitende italieni-
sche Korvette CIGOGNA nimmt die Verfol-
gung auf, versucht das flüchtende U-Boot
zu stellen. Am 14. März gelingt es: Auf die
THUNDERBOLT sinken 24 Wasserbomben
herab, sie beginnt unterzugehen – die Män-
ner sehen dem sicheren Tod ins Auge. Ob
manche von ihnen in diesem Moment wohl
kurz an das Jahr 1939 gedacht haben? Daran,
dass das Schicksal ihr Boot schon einmal so
hart getroffen hatte?
Tatsächlich sinkt die THUNDERBOLT an
diesem Tag nicht zum ersten Mal. Mit dem
U-Boot verbindet sich eine besondere Ge-
schichte, die sich vier Jahren zuvor abspiel-
te; damals, als es noch den Namen THETIS
trug. Blicken wir zurück …
tende Schlepper GREBECOCK an der Tauch-
stelle eine Not-Boje vom U-Boot mit der
Meldung: „Wassereinbruch!“. Die Wassertie-
fe am Ort der Havarie auf der Position
54.45N 04.00W beträgt 132 Fuß, etwa 40 Me-
ter. Ab dem Unfallzeitpunkt bleiben nach Be-
rechnung der Experten zirka noch 36 Stun-
den, um die an Bord eingeschlossenen Män-
ner lebend zu bergen.
Wettlauf gegen
die
Zeit
Eine Stunde ist verstrichen, als um 15:30 Uhr
an der Unfallstelle eine weitere Not-Boje auf-
taucht. Sie enthält die Meldung, dass drei
Mann der Besatzung bei dem Versuch er-
trunken sind, mit Tauchrettern an die Ober-
fläche zu gelangen. Eine Stunde später er-
kundigt sich die Admiralität beunruhigt
nach dem Verlauf der Probefahrt, um 17:30
Uhr entschließt sie sich, den Zerstörer HMS
BRAZEN an die Tauchposition zu beordern.
Der bis dato THETIS begleitende Schlep-
per GREBECOCK hatte versucht, an der Un-
glücksstelle vor Anker zu gehen. Das Meer
ist dort 40 Meter tief, es sind jedoch nur An-
kerketten von etwa 30 Meter Länge an Bord.
Deshalb mussten erst zwei Ketten miteinan-
der verbunden werden – und in dieser Zeit
ist der Schlepper unbemerkt rund vier See-
meilen von der Untergangsstelle abgedriftet.
Um 19:30 Uhr alarmiert die Admiralität
einen Teil der in Liverpool stationierten Zer-
störer-Flottillen, eine Stunde später versam-
meln sich etwa 20 alarmierte Kriegsschiffe
an der vermeintlichen Unglücksstelle. Da sie
außer einer Boje über einem älteren, aber be-
reits bekannten Wrack nichts finden, löst die
Admiralität um 22 Uhr SOS für die gesamte
Home-Fleet aus.
Am nächsten Morgen um 08:00 Uhr ent-
deckt der Zerstörer HMS BRAZEN eher zu-
fällig das Heck des U-Bootes, das bei Ebbe et-
wa drei Meter aus dem Wasser herausragt.
Sind die eingeschlossenen Männer noch am
TROSSENVERBINDUNG:
Mit einer Stahl-
trosse,
die
hier
am
Heck
angeschlagen
wird,
soll THETIS in flaches Wasser gezogen wer-
den.
Sie wird beim Anziehen brechen.
Foto: Sammlung Frank Müller
eitzeuge Ernst-A. Schneider erinnert
sich an die Jahre, als sein Jugendtraum
begann in Erfüllung zu gehen: „Ich
wollte zur Marine und ich wollte fliegen, da-
mals Ende der Fünfziger“. Es waren zwei
Herzen, die dem gebürtigen Sachsen-Anhal-
ter in der Brust schlugen: Er wollte zur See,
aber auch in die Lüfte. „Dass beides mit der
Albatross wahr wurde, ist allerdings Glück
und Zufall“, sagt er. Der Fregattenkapitän
a.D. ist einer der wenigen Piloten der dama-
ligen Bundesmarine, die auf der Grumman-
Albatross ausgebildet wurden.
Die Grumman HU-16 Albatross ist ein ro-
bustes Amphibienflugzeug, das sich vor al-
lem durch hohe Reichweite sowie gutmütige
Flugeigenschaften auch in Schwerwettersi-
tuationen auszeichnete. Sie wurde vom US-
amerikanischen Hersteller Grumman entwi-
ckelt, am 24. Oktober 1947 hob sie erstmals
vom Boden ab. Zwischen 1949 und 1954 ver-
ließen insgesamt 459 Flugzeuge dieses Typs
die Werkshallen. Vor allem beim SAR (dem
internationalen maritimen Such- und Ret-
tungsdienst) weckte die Albatross großes In-
teresse, und so war sie bald in mehr als 15
Ländern im SAR-Dienst eingesetzt. Aber
auch als U-Jäger fand sie Verwendung.
Hauptnutzer waren die US Air Force, die US
Navy und die US Coast Guard.
Konstruiert war die Grumman HU-16 Al-
batross als freitragender Hochdecker in
Ganzmetall-Halbschalenbauweise. Stütz-
schwimmer an den äußeren Tragflächen ga-
ben dem Flugzeug beim Rollen auf dem
Wasser die notwendige Seitenstabilität.
Suche und Rettung
Die Bundesmarine entschied sich zur An-
schaffung von fünf Machinen für den Seeno-
trettungsdienst. Auf Basis internationaler
Abkommen fiel der Bundesrepublik
Deutschland der maritime Such- und Ret-
tungsdienst (int. SAR = Search and Rescue),
der auf See von der Deutschen Gesellschaft
zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) wahr-
genommen wird, als hoheitliche Aufgabe zu.
Für Rettungsmaßnahmen aus der Luft im
Bereich von Nord- und Ostsee lag die Zu-
ständigkeit bei den Marinefliegern.
Am 14. Juni 1957 begann im schwäbi-
schen Memmingen die Ausbildung der ers-
ten Hubschrauberpiloten auf dem Typ Bris-
tol B 171 Sycamore Mk 52, die rund ein Jahr
später mit der Aufstellung der Marine-See-
notstaffel in Kiel-Holtenau endete. Ab März
1963 löste die Sikorsky H-34G den nur einge-
schränkt praxistauglichen Vorgänger ab. Ein
halbes Jahr später erhielt die zwischenzeit-
lich in Marine Dienst- und Seenotgeschwa-
der umbenannte Einheit die Bezeichnung
Marinefliegergeschwader 5, kurz MFG 5.
„Die Helikopter erwiesen sich schnell als
ein effektives Rettungsmittel“, erklärt Ernst-
A. Schneider. „Ihr entscheidender Nachteil
waren ihre relativ geringe Geschwindigkeit
und Reichweite, was sie für die Suche nach
Havaristen und im Wasser treibenden Schiff-
brüchigen nur bedingt geeignet machte. Da-
mals gab es kein GPS und auch die Funk-
und Ortungstechnik war bei Weitem noch
nicht zuverlässig und perfektioniert. Darum
etablierte die Bundesmarine mit der Beschaf-
fung der Grumman HU-16 Alabatross – dem
Typ B mit einer um fünf Meter vergrößerten
Eine kurze Testfahrt
Gut ein Jahr nach seinem Stapellauf beginnt
das neueste und damals größte U-Boot der
englischen Marine HMS THETIS seine erste
Testfahrt in die offene See. Es ist Donnerstag,
der 1. Juni 1939 um 10 Uhr, und es geht hi-
naus in die Liverpool-Bay bei gutem Wetter,
Sonnenschein und leicht gekräuselten Wel-
len. Unter dem Kommando von Lieutenant-
Commander Bolus sind nach ersten Anga-
ben 53 Mann Besatzung und 27 Mann Erpro-
bungspersonal an Bord.
Gegen 14 Uhr taucht die THETIS zum
ersten Mal, vorerst etwa auf Sehrohrtiefe.
Eine halbe Stunde später entdeckt der beglei-
BANGES WARTEN:
Vor
dem
Tor
der
Werft
warten Angehörige
auf
gute Nachrichten,
die
nicht kommen.
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
UNGLÜCKSBOOT:
Schon
auf
ihrer ersten
Testfahrt sinkt
die
HMS THETIS. Durch Zu-
fall entdeckt
der
Zerstörer HMS BRAZEN
das
Heck
des
havarierten U-Bootes. Es ragt
bei Ebbe
mehrere
Meter
aus dem
Wasser.
Foto: Sammlung Frank Müller
BERGEPONTOS:
Sie werden von Schlep-
pern, viele Stunden zu spät, zur Unglücks-
stelle gebracht.
Foto: Sammlung Frank Müller
S. 44
45
VIELSEITIG:
Die Albatross empfahl sich
durch
ihre robuste Art – und erfüllte
marine-
affinen
Soldaten
den
Traum vom Fliegen.
Foto: Sammlung Schneider
S. 50
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MARITIME TECHNIK
|
Deutsche Torpedoboote im Ersten Weltkrieg
MARITIME TECHNIK
|
Eine echte „Hamburgerin“
HARTE SEEFAHRT:
Ein kleines Torpe-
doboot der
D-Klasse
aus der
Entste-
hungszeit
dieses
Seekriegsmittels
gegen Ende
des
19. Jahrhunderts.
Auch bei späteren größeren Booten
forderte
der
Krieg vollen Einsatz.
Foto:
picture-alliance
Angriff bei Doppelstander „Z“
WIEDERSEHEN:
Mit
der
ITALIA kehrt eine hübsche
Hamburgerin in
das
Nach-
kriegsdeutschland zurück.
Hier liegt
das
Schiff
am
Steubenhöft in Cuxhaven.
Foto: Sammlung Harald Focke
Die ITALIA im Liniendienst zwischen Hamburg und New York
„Schwarze Gesellen“
in Aktion
Während der Seeschlacht vor dem
Skagerrak kam die Bewährungs-
probe der neuen Seekriegswaffe.
Über 60 Torpedoboote der Kaiser-
lichen Marine sollten mit Überra-
schungsangriffen die Schlacht
drehen – doch es kam anders...
Von Eberhard Kliem
Wirtschaftswunder
auf dem Atlantik
Ab 1952 erholt sich die Passagierschifffahrt von den Folgen des Krieges. Zwischen
Hamburg und New York fahren zwar noch keine deutschen Liner, doch auch von der
ITALIA sind die Reisenden begeistert.
Von Harald Focke und Frank Scherer
ANKUNFT:
Die ITALIA trifft nach
einer Nordatlantiküberquerung in
Cuxhaven ein.
Foto: Lüden/Archiv DSM
TECHNISCHE DATEN
D-Klasse
Bauwerft
Baujahr
Gewicht
Länge
Breite
Tiefgang
Geschwindigkeit
Besatzung
Bewaffnung
F. Schichau, Elbing
1886–89
300 ts
56,5
m
6,60
m
3,40
m
20 Kn
4 Offiziere, 44 Mann
3 x Geschütz 5,0
3 x TR 35 cm
Später Umbau zu Minensuchern
K
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SCHIFFClassic
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urz vor Weihnachten 1951 meldet das
Hamburger Abendblatt auf der Titel-
seite: „ITALIA unter Hapag-Flagge“.
Für die Hamburger ist es eine Überraschung,
sie hatten sich gerade an die HOMELAND
gewöhnt. Nun kommt ab März 1952 ein deut-
lich größeres und moderneres Schiff. Was
die Menschen an Alster und Elbe aber am
meisten freut: Die ITALIA ist eine echte
Hamburgerin! Am 17. März 1928 ist sie als
KUNGSHOLM für die Svenska Amerika Lin-
jen (SAL) bei Blohm & Voss in Hamburg vom
Stapel gelaufen – ein Qualitätssiegel erster
Güte und ein Grund mehr, warum die Ham-
burger die ITALIA schnell in ihr Herz schlie-
ßen. Einziger Schönheitsfehler: Auch die ITA-
LIA führt nicht die deutsche Flagge, son-
dern – wie ihre Vorgängerin, die HOME-
LAND – die von Panama.
LIEGEPLATZ:
Die ITALIA
an
ihrem Stamm-
liegeplatz in Hamburg im Kaiser-Wilhelm-Ha-
fen. Postkarte
aus der
Sammlung Scherer.
Foto: Sammlung Scherer
Jungfernreise nach New York
Die KUNGSHOLM ist einer der ersten Liner
im Art déco-Stil nach Entwürfen von Carl
Bergström. Aufgrund der guten Erfahrun-
gen mit der GRIPSHOLM rüstet die SAL
auch die KUNGSHOLM mit Burmeister &
Wain-Dieselmotoren aus. Mitte Oktober
1928 ist der Liner mit seinen zwei klassi-
schen Schornsteinen fertig. Die Jungfernrei-
se von Göteborg nach New York beginnt En-
de November 1928.
In den 1930er-Jahren wird die KUNGS-
HOLM durch weltweite Kreuzfahrten be-
kannt. 1932 wird nach den Aufbauten auch
S. 66
67
58
59
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Fünf Meter mehr
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100 Jahre Dampfer SACHSENWALD
Hightech in der Außenweser
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Leuchtturm „Alte Weser“
„Schwarze Gesellen“ in Aktion
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Torpedoboote im Ersten Weltkrieg
Bücherbord
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Maritime Buchneuheiten
Landgang
Wirtschaftswunder auf dem Atlantik
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Liniendienst zwischen Hamburg und New York
Das Langboot war ihr Leben
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78
Wikingerausstellung in Berlin
Gefangen im ewigen Eis
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70
Die Polarexpedition des Sir John Franklin
Titelbild: „Kraft
durch
Freude“ Kreuzfahrtschiff WILHELM GUSTLOFF im Hamburger
Hafen im Jahr 1938. Foto:
picture-alliance
Zeitreise
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80
Das Tor der Marinekaserne Eckernförde, gestern und heute
Vorschau/Impressum
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5
SCHIFFClassic
1/2015
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