Frey, Jana - Ich spuer mich nicht - Elinas Leben mit Borderline.pdf

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Mein Dank an Odile, Karlotta, Maxima, Lennard
und Björk für viele Gespräche über Borderline.
Alles Liebe euch fünfen!
„… ist sie – tot?“
„Ist sie …?“
„Um Gottes willen …“
Sie liegt ganz still.
Ihr Gesicht ist schneeweiß. Regen tropft auf
ihre Stirn wie kalte Tränen.
Über ihr steht das Fenster im ersten Stock of-
fen. Die rosa Gardine weht im Wind.
Von ganz weit her kommt ein Gedanke.
Es
sollte jemand bei ihr sein in diesem Moment.
Sie liegt sehr still. Reglos. – Wer sollte bei ihr
sein?
Luuk …? – Nein, er
nicht!
Oskar? Vielleicht.
Oder Selma, ihre einzige Freundin.
Stattdessen ist Herr Petry da. Herr Petry aus
dem Nachbarhaus. Er und Olga, seine russische
Freundin. Die beiden riechen nach Zigaretten und
dem Mief von ungelüfteten Zimmern.
„Gott sei's gedankt – sie atmet“, sagt Herr
Petry. Er klingt erleichtert und so, als würde er
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gerade überall lieber sein als hier im verregneten
Nachbarsgarten. Seine kalten Finger tasten schon
die ganze Zeit an ihrem Hals herum und suchen
nach Lebenszeichen. Er kniet ungelenk neben ihr
im Gras. Seine Finger fühlen sich rau und wulstig
und unangenehm an. Als würden dicke kleine
Tiere über sie krabbeln.
„Der Krankenwage ist auf Weg, sie haben
gesagt. Dauert paar Minute. Wir soll'n sie auf
kein' Fall bewegen.“
Olga spricht nur gebrochen Deutsch. In Kiew
war sie mal eine bekannte Pianistin, heißt es in
der Nachbarschaft. Hier ist sie nur eine
arbeitslose Kettenraucherin, die selten das Haus
verlässt.
„Warum zum Teufel hat sie das nur getan?“
Herrn Petrys Stimme klingt fast ärgerlich.
„Steht erst endlos am Fenster rum wie nich' ganz
bei Trost. Und lässt sich dann …“
Er sucht nach den richtigen Worten. „… fallen.
Einfach so. Kopfüber … Von einer Sekunde zur
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